Dienstag, 14. November 2006

Vorurteile im Alltag

Alle Menschen haben Vorurteile, sie sind in der Struktur des Denkens angelegt und berufen sich auf Erfahrungen und gefährliches Halbwissen. Vorurteile können positiv oder negativer Natur sein und reziprok setzen sie die im Fokus stehende Person mehr oder weniger unter Erwartungsdruck. Zwei kleine Geschichten dazu.

Ich lerne zurzeit an einer klassischen Kunsthochschule. Entsprechend übersichtlich ist das Sportangebot gegliedert. Es gibt Yoga und Pilates (macht Nadin), Fußball und im Sommer Softball (eine Mädchen-Version von Baseball). Ich habe mich der Fußballabteilung angeschlossen; das Uni-Team spielt jeden Sonntag in einer Mixed Hobby-Liga. Richtig - Jungs und Mädels, Studenten und Professoren, Arbeitnehmer und Arbeitslose, Mütter und Väter, Athletische und Untrainierte treffen sich zum gemeinsamen Kicken unter Ligabedingungen: gute Hallenplätze, Schiedsrichter, Grätschverbot und Schienbeinschonerpflicht.

Mein Team, FC MCAD, spielt unter dem sozialistischen Breitensportprinzip: kein Training, jeder ist willkommen, jeder bekommt die gleiche Einsatzzeit unabhängig vom Können und bisherigen Errungenschaften. Das erklärt auch die chronische Erfolgslosigkeit des Teams - in 6 Spielen hat´s 4 Niederlagen und 2 Unentschieden gesetzt.


Die ersten beiden Spiele/Niederlagen habe ich verpaßt und danach war natürlich das HALLO groß, als mit Fernando und mir fortan ein brasilianischer und ein deutscher Austauschschüler das Team erweitern würden. Plötzlich stand ein internationales Team auf dem Platz, bestehend aus Ländern, die 8 Weltmeisterschaften eingefahren haben. Das nächste Spiel haben wir dann auch nur 1-0 verloren und ich habe ein gute Gelegenheit versemmelt.
Nun ist es ja wirklich nicht so, dass ich ein Ballzauberer oder Leitwolf bin. Ich kann rennen, grätschen und andern an den Haaren ziehen, aber nicht gut Fußballspielen. Egal, für MCAD reicht´s und ich nehme hier eine Position ein wie Josef Ivanovic beim FC Sachsen - unglücklich: Hat in jedem Spiel 1-2 gute Gelegenheiten aber macht die Bude nicht.

Beim FC MCAD steht der Spaß am Spiel im Vordergrund und so ist der allgemeine Tenor nach jedem sieglosen Spiel, dass wir heute wieder nah dran waren und auf dem Gezeigten aufbauen können. Für mich ist Sonntag eher eine gute Gelegenheit, mal vor 10 Uhr aufzustehen und etwas Bewegung und Dehnung zu kriegen.

Ein weiteres, stark-verbreitetes Vorurteil spricht von den intelligenten Europäern, die immer 3-4 Sprachen sprechen. Darauf angesprochen, kann ich natürlich glänzen und neben Deutsch/Englisch meine 6 Französisch- und 3 Russisch-Schuljahre erwähnen. Das respektvolle Staunen wird noch größer, wenn ich die letzten, in meinem Gehirn verbliebenen Russich-Sätze zum Besten gebe: "Vera Maximova ist eine Stadtführerin. Sie zeigt uns die Sehenswürdigkeiten und die Schule. Ich spiele mit meinem Bruder Fußball auf der Straße."
Eine Anmerkung für alle die nicht Russisch sprechen: Diese 3 Sätze sind ungefähr so lang wie der gesamte Abschnitt, weil allein das Wort "Sehenswürdigkeiten" mindestens über zwei komplette Zeilen geht. Die Übersetzung ins Englische halte ich meistens zurück, um die Vorurteile nicht zu zerstören und meine Unwissenheit preiszugeben. Reicht ja schon, dass alle sehen, dass ich die Bälle nicht so ins Tor nagle wie einst der Klinsi.

5 Comments:

Anonymous Anonym said...

Wie reagieren die Amis eigentlich grundsätzlich auf Deine Herkunft? Deutschland - "*gähn* in Ordnung". Aber Ostdeutschland - das müssten Sie doch total spannend finden?

15.11.06  
Anonymous Anonym said...

Grüß gott,
Sport ist Mord, das weißt du doch seit den jüngsten Zwischenfällen in unserem schönen NOFV! ;) Ich hoffe dennoch für dich, dass deinen Major League Soccer Karriere erfolgreicher und vor allem friedvoller verläuft, als die deiner Grün-Weißen! Mit himmelblauen Grüßen aus dem Rot-verseuchten Land! Aber ich halte die Fahne gegen den Wind! Stay true! Tommy

15.11.06  
Anonymous Anonym said...

Tja ja, "DOSTOPRIMETSCHATJELNOSTI" ist wirklich ein verdammt langes Wort ...

LG aus LE

15.11.06  
Anonymous Anonym said...

"JA PONIMAJU WAKSAL" kommt auch immer gut an bei denen die nicht nur russisch können sondern auch deiner herkunft sind.

16.11.06  
Blogger chrwil said...

Hihi,
die einstmals liebevoll "Dostostis" abgekürzten Sehenswürdigkeiten sind mir auch noch (nach acht Jahren Unterricht) in Erinnerung.

Ansonsten gilt:
"Ja nje Snaju..."

Grüße
Christian

17.11.06  

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