Freitag, 1. Juni 2007

Kickball

Baseball ist ein amerikanisches Phänomen: Ein schier endloses Spiel mit vielen Gelegenheiten, Bier und Snacks nachzuladen, ohne etwas zu verpassen. Das gilt nicht nur für das passive Zusehen, sondern erst recht für das aktive Betrieben der verschiedenen Baseballformen.

Baseball in einer weniger anstrengenden Form heißt Softball, wobei der Ball größer ist und die Distanzen auf dem Feld kleiner sind. Für Kinder gibt es die Variante ohne Werfen sondern mit Kicken. Der Pitcher kegelt eine Gumminulle zum Batter, der den Ball mit aller Kraft wegbolzt und rennt. Für Erwachsene gibt es eine spezielle Form des Kickballs, in der Bier eine große Rolle spielt. Vor dem Spiel und nach dem Spiel wird getrunken; die verteidigende Mannschaft trinkt auch während des Spiels, weil prinzipiell 7 Leute rumstehen und nur 1 Spieler den Ball fangen kann/muss. Die weiteren Spieler außerhalb des Platzes benehmen sich wie auf einer Gartenparty: quatschen und trinken. Meistens spielen Männer und Frauen zusammen, was den Vergnügensfaktor noch mehr hebt.

Ich hatte die Ehre, für die “Soaring Eagles of Freedom” antreten zu dürfen und habe so den Sport der Unsportlichen hautnah kennengelernt. Der Durchschnittsspieler braucht wenig bis keine Kondition, nur ein wenig Koordination. Kaum ein Aktiver läuft in den 9 Innings Spielzeit mehr als 80 Meter am Stück, insgesamt vielleicht um die 500 Meter.
Ahnung vom Spiel ist auch nicht nötig, weil am ersten und dritten Base Leute aus dem eigenen Team stehen, die brüllen, was zu tun ist. Das vierte ist schon das Ziel, wenn der Spieler nicht vorher raus ist, worauf er nach dem Kick kaum noch Einfluss hat.


Anhand dieser Schilderung erkennt der aufmerksame Leser, dass das Spiel sehr viel komplexer ist als es am Anfang scheint. Ich selbst habe in meinen 3 Spielen nicht einmal gepunktet, wir haben auch nur 1x gewonnen und insgesamt 5 Punkte erzielt. Zur Info, ein Punkt wird dann erzielt, wenn der Kicker die Runde vom ersten bis zum vierten Base schafft. Eine handvoll Sonderregeln machen den Angreifern dabei das Leben schwer und sorgen dafür, dass alle genug Pausen zum Trinken und Quatschen haben.
Fazit: ein vergnügliches Spiel an der frischen Luft für Leute, die gern auf die Ernsthaftigkeit des Profisports verzichten. In Deutschland wird sich dieser Sport allerdings wohl kaum durchsetzen, weil die Baseball-Erfahrung fehlt und kein Mensch die Regeln beherrscht/jemals beherrschen kann.

Montag, 28. Mai 2007

Feiertage in Amerika

Feiertage -so wie wir Deutschen sie kennen- sind in den Vereinigten Staaten ein seltenes Gut, denn wirklich frei hat die arbeitende Bevölkerung nur 2x im Jahr: am 1. Weihnachtsfeiertag und zu Thanksgiving im November. Dafür gibt es über ein Dutzend Tage, die einen "Quasi-Feiertagsstatus" haben.

Im Gegensatz zu Deutschland beruhen US-Feiertage kaum auf kirchlicher Tradition, sondern eher auf der Landesgeschichte zum Gedenken an Personen und Ereignisse. Ostern wird hierzulande ähnlich kitschig gefeiert wie der Valentinstag; Christi Himmelfahrt oder Pfingsten finden nur innerhalb der Kirche statt. Frei gibt´s da nicht.
Die USA bedient sich lieber ihrer jungen Geschichte, um wirkliche Gründe zum Feiern oder zum Trauern zu haben: Martin Luther King Day, President´s Day, Memorial Day, Independence Day, Labor Day und Columbus Day sind die bekanntesten. Der Vorteil liegt im variablen Datum - alle genannten Tage werden bis auf den Unabhängigkeitstag auf einen Montag gelegt. Eigentlich unglaublich clever, obwohl ja wiederum nicht alle pauschal frei haben. Wie gewonnen, so zerronnen.

Memorial Day ist beispielsweise immer am letzten Montag im Mai. Der jeweilige Bundesstaat entscheidet, ob die Angestellten im öffentlichen Dienst ruhen dürfen oder nicht. Genauso hat die private Wirtschaft das Recht, über die Öffnungszeiten selbst zu entscheiden. In Minnesota hatten zum heutigen Gedenktag an alle im Krieg Gefallenen Amerikaner nur die Läden offen, die auch am Wochenende geöffnet sind. Also Einkaufen ging überall und wurde ordentlich getan.

Wenn es um ihre Truppen geht, da lassen die Amis keine Luft dran. Als ich letzte Woche von Philadelphia zurück nach Minneapolis geflogen bin, saßen im Flugzeug 3 Soldaten, die aus dem Irak zurückkehrten. Der Flugzeugkapitän hat extra für sie eine kurze Ansprache gehalten und fast alle Insassen haben den Kriegern Applaus gezollt.
Die Situation erinnerte mich an einen Werbespot von Joe Pytka, einem ganz großen der Werbefilmszene. Hier das ganze zum Nachempfinden:

Donnerstag, 24. Mai 2007

Scavenger Hunt

Scavenger Hunt bedeutet Schnitzeljagd. In Amerika ist dieses Ferienlagerspiel selbstverständlich völlig kommerzialisiert und wird von professionellen Kräften für viel Geld organisiert. Aber manchmal besinnt sich jemand und trommelt zu einer tollen Rallye aus Spaß an der Freude (und am Fahrrad).

Okay, das Rennen war nicht ganz aus Jux, sondern hatte einen ernsten Hintergrund: die $5 Startgebühr wanderten in einen Spendentopf, um die Arztrechnung eines verletzten Radfahrers zu begleichen. Darum war es auch eine Radjagd und fast alle der ca. 70 Starter hatten Helme auf.

Der Sinn der Schnitzeljagd ist nicht, als Erster ins Ziel zu kommen, vielmehr müssen während der Rennzeit Rätsel gelöst, Fragen beantwortet, Texte übersetzt und Fotos geschossen werden. Am Ende entscheidet ein Punktsystem über das Gesamtclassement.

Die Teams bestanden aus 4 bis 6 Leuten, die mit einem sogenannten Manifest ausgestattet, max. 3 Stunden auf Tour sind. Mein Team war ein Haufen von Künstlern, die irgendwas mit meiner Schule zu tun haben/hatten. Hier posieren wir gerade für das Gruppenbild vor dem POP Café, das uns 10 Punkte einbringen wird.

Bei einem Großteil der Aufgaben handelt es sich um Orte oder Dinge, die gefunden werden müssen. Selten ist die exakte Adresse angegeben und es ist gar nicht leicht, den Überblick zu behalten, was alles gemacht werden muss.
Ansonsten sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt: u.a. sollte ein Foto mit `Roadkill` (= Kadaver am Straßenrand) geschossen werden. Wir werden keine Punkte für unser Bild bekommen, weil Adam noch Handschuhe trägt. Scheiße.


Anschließend haben wir das tote Vieh weit weggeworfen, damit es alle anderen ja recht schwer haben.

Es überrascht sicherlich nicht, dass einige Kneipen auf dem Weg ins Spiel integriert sind. Die Aufgaben gingen dabei von einer Schnaps- verkostung mit Sorte erraten
über eine Bierlieferung bis hin zur Jukebox: Wir sollten eine Geschichte schreiben, was passiert, wenn Lied 32 auf Lied 45 trifft. Ich glaube, es war ´American Woman´ von Lenny Kravitz gegen irgendwas von Stevie Wonder.

Schlussendlich treffen sich alle in einer Art Gartensparte und hydrieren kräftig.

Mein Team hat es leider nur auf Platz 13 geschafft, was uns trotzdem 2 Pitcher Bier eingebrachte. Obwohl es bei einer Schnitzeljagd um mehr als nur gewinnen geht: Werte wie Teamgeist und Führungsqualitäten entwickeln sich wie von selbst. Es macht riesig Spaß und gipfelt am Ende in einer spitzen Party. Zum Nachmachen empfohlen.

Dienstag, 15. Mai 2007

Meister der Herzen

Werbung ist prinzipiell zu 95% Geldverschwendung und sinnloser Mist. Um die restlichen 5% der gelungenen Werbung hervorzuheben, gibt es zahllose Preise und Veranstaltungen, bei denen sich die Branche selbst feiert. Ein gutes Beispiel ist der `One Club` in New York, der sogar etwas für Studenten übrig hat.

Der `One Club` prämiert im Rahmen der `One Show` jährlich kreative und treffende Spitzenleistungen der Werbetrei- benden in den verschiedensten Bereichen von reinem Design über Print und TV bis zu Interactive. Alle Kategorien gelten für Profis und Studenten aus aller Welt.
Meine Hochschule giert nach Prestige und hat die Teilnahme an diesem Wettbewerb für alle Werbe-Lehrlinge zur Pflicht erklärt. Die schulinterne Qualifikation haben 8 Arbeiten bestanden, von denen es keine einzige ins Finale nach New York geschafft hat. Aber um die Talente nicht total zu desillusionieren, wurde der `One Show Client Pitch` ins Leben gerufen: Studenten haben die Möglichkeit, ihre Ideen zu präsentieren und sind dadurch nicht nur von ignoranten Juroren abhängig, die im Vorbeigehen den Sieger auswerfen.

Auftraggeber für den Studentenwettbewerb war in diesem Jahr die Umweltschutzorganisation NRDC - Natural Resources Defense Council. Mein Kühlschrank-Werbespot und 11 weitere Ansätze, wie die Erde zu retten sei, schafften es in die Endrunde.

Mein Team -bestehend aus Noah (Texter, links), Taylor (Designer, rechts) und mir (Art Director, nicht im Bild)- bereitete sich fast 3 Wochen auf den 15minütigen Vortrag vor und wir entwickelten Ideen von weltklasse Format. Beispielsweise erklärten wir, wie die Finanzierung für eine massenhafte Fernseh-Bombardierung gestemmt werden kann, indem diverse Partnerschaften und Product-Placements integriert werden. Oder wie der Spot variiert und so das Sehvergnügen gesteigert werden kann: jedes Mal öffnet eine andere Person vom Basketballer Shaq bis hin zum Krümelmoster den Kühlschrank.

Am Ende kam es so, wie es gewöhnlich Schalke trifft: die Konkurrenz spendet viel Lob, aber den Pokal (und das Preisgeld) holen andere. In unserem Fall die Lokalpatrioten, die nicht zu unrecht gewonnen haben.
Egal, wir haben dafür von unserer Schule eine Reise nach New York finanziert bekommen, zumindest 70% der Kosten für Flug und Hotel. Dazu noch eine Einladung in ein vortreffliches Steakhaus, aus dem ich meine persönliche Trophäe mitgenommen haben: Eine $5 Steaksauce, vielleicht die beste der Welt. Es hat sich gelohnt.

Donnerstag, 3. Mai 2007

Der Winter in Minnesota II

Die zweite und letzte Serie der Retrospektive Winter widmet sich dem besten Freund vieler Amerikaner: dem Automobil.

Die Einheimischen sagen, in Minnesota gibt es nur 2 Jahreszeiten: Winter und Straßenbau. Die 7 Monate Kälte hinterlassen überall Schlaglöcher, dass sie sogar so berühmte Straßen wie die Rochlitzer in Mittweida oder die Anfahrt zum Alfred-Kunze-Sportpark in Leipzig-Leutzsch übertreffen. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum hier geschätzte 40% der Fahrzeuge zur Gruppe der SUVs gehören - Sport Utility Vehicles, die -wie im Bild links zu sehen- gewöhnlich höhergelegt sind, Allrad-Antrieb haben und einen Verbrauch von 20 Miles per Gallon aufweisen (umgerechnet 12 l auf 100 km).
Bestimmt die Hälfte aller Autos verbraucht aber deutlich mehr, weil es ungeheuer alte Schrott- kisten sind. Kaum zu glauben aber wahr.
Ein regelmäßigen TÜV wie in Deutschland gibt es hier nicht. Einmal zugelassen darf es rollen bis selbst das stärkste Klebeband die Einzelteile nicht mehr zusammenhalten kann.
Rost ist in meiner Gegend ein echtes Problem, weil der Winterdienst hier seine Sache sehr ernst nimmt und die Straßen von Oktober bis April regelrecht in Salzwüsten verwandelt. Ich mußte es am eigenen Fahrrad erleben, wie mir Kette, Kränze und Schrauben unter den Füßen wegrosten.

Mittwoch, 25. April 2007

Der Winter in Minnesota I

In der Retrospektive 'Winter in Minnesota' werden Dinge angesprochen, die auf keine Kuhhaut gehen. Die Leute wissen, dass es arschkalt wird, trotzdem wohnen sie in Häusern, die so isoliert sind wie ein Trabi: Gestell, Pappe, ein bisschen Farbe und das war´s.

Obwohl deutsche Ingenieurkunst in Amerika einen sehr guten Ruf genießt und gern kopiert wird, beim Thema Hausbau geht das US Volk seinen eigenen Weg und baut leider wie eine Bananenrepublik.


Liegt viel Schnee, wird das Dilemma besonders deutlich: Die fehlende Isolierung läßt Unmengen von Wärme aufsteigen und erwärmt das Dach dermaßen, dass der Schnee trotz heftiger Minusgrade langsam schmilzt. Aufgrund der sibirischen Kälte gefriert der tauende Schnee augenblicklich, wenn diese unfreiwillige Bodenheizung an der Dachrinne aufhört.
Der Vorteil besteht jedoch darin, dass die Schneemassen auf dem Dach kontinuierlich abgebaut werden und damit die Einsturzgefahr der Häuser enorm verringert wird. Gleichzeitig steigt natürlich die Gefahr, von einem herabfallenden Eiszapfen erstochen oder erschlagen zu werden. Aber was heißt hier eigentlich Einsturzgefahr - im Winter in Minnesota verwandelt sich fast jedes Haus in eine Art Iglo, also ein Dauerfrostgebilde, das in sich hält.

Die Fenster sind ebenfalls ein Kapitel für sich. Unsere sind so undicht, dass sie zum Lüften gar nicht geöffnet werden müssen. Es ist ja auch nur eine einfache Glasscheibe ohne jeden Kunststoffzusatz, wenn man von dem knochenharten Kitt einmal absieht. Darum haben wir (wie die meisten in der Region) unser Fenster mit Folie zugeklebt. Dann kann zwar nicht mehr gelüftet werden, aber wenigstens wird verhindert, dass der Kaffee in der Tasse eine Eisschicht bildet.


Das mit der Eisschicht ist nie passiert, weil ja die Heizung ununterbrochen bullert. Im März hatten wir für unsere Wohnung noch immer saftige $250 Heizkosten, obwohl es nicht mehr soo kalt war und wir die Innentemperatur um die 18°C gehalten haben.

Der stete Energieausstoß in die Umwelt wird bei den Betrachtungen zur globalen Erwärmung bisher noch immer unter dem Tisch gehalten. Ich bin gespannt, ob die Enthüllungen auf dieser Seite dazu beitragen können, für besseres Wohnen und angenehmeres Leben im Midwesten der USA zu sorgen.

Sonntag, 22. April 2007

... und es war Sommer

Die Zeit der zugeknöpften Jacken ist vorbei: die letzte geschlossene Schneedecke gab´s am 11. April und nun haben wir täglich um die 20°C. Jacke war gestern in den 3,5 Tagen Frühling.


Was in Mitteldeutschland wohl schon Anfang Februar der Fall war, kommt nun endlich auch hier zum Vorschein - frisches Grün. Und es macht plötzlich wieder Spaß, draußen zu sein. In meiner Straße verwandeln sich die junge Triebe förmlich beim Zusehen in herzhafte Blätter.
Lange hat es gedauert, bis die Sonne wieder zu alter Stärke gefunden hat. Auch wenn der hiesige Winter und die Schneemenge unter den Prognosen geblieben ist, aus meiner mitteldeutschen Sicht hatte er es in sich und zog sich wie Kaugummi. Ende März gab es einen zweitägigen Ausreißer nach oben, als wie aus dem Nichts plötzlich 24°C die Schneeschmelze einleiteten.


Doch wenige Tage später und 200 Milen nördlicher waren die Temperaturen wieder da, wo sie in dieser Region meistens sind: unter Null. Gefühlte Temperatur: - 20°C.


Im Winter frieren und im Sommer schwitzen. Extrem kontinentales Wetter wie ich es nur aus dem russischen Hinterland kannte. Hier wie da finden sich die Menschen damit ab und leben im Einklang mit der Natur. Richtig, die Natur wird respektiert und die Menschen leiden mit ihr. Fortsetzung folgt...