Donnerstag, 31. August 2006

Die Legende lebt

Als haette er's gelesen! Kaum war die Geschichte um Steve, das Phantom, veroeffentlicht, stand er auch schon in unserer Kueche und seine Zugmaschine vor dem Haus. Trucker Steve hat zweifellos das Potential, Geschichten zu Mythen werden zu lassen. Nun fuerchte ich mich vor dem Winter in Minnesota.

Eine von Steves unzaehligen Lieblingsbeschaeftigungen ist es beispielsweise mit seinem Monster-Truck zum Supermarkt zu fahren, um Obst zu kaufen. Er erzaehlt gern und viel.
Eine Begebenheit verdient besondere Aufmerksamkeit: Es ist ein Reflex von Steve und allen Amerikanern, beim ersten Kontakt mit gutartigen Auslaendern die Bekanntschaft zu anderen Repraesentanten derselben Nation nachzuweisen. Meist wird von Freunden gesprochen, die schon mal fuer mehrere Wochen in Deutschland waren. Steve hat sogar eine echte deutsche Bekannte, die seit 20 Jahren in Minneapolis lebt. Man erzaehlte mir einmal mehr, wie boese und hinterhaeltig der einheimische Winter ist. Das ist das Standartthema, wenn es um Minnesota geht. Unvergleichbar mit dem Wohlfuehlwinter in Mitteleuropa, man muesse sich eher an gefuehlten sibirischen Temperaturen orientieren. Fremde brauchen ein unschlagbares Immunsystem, um nicht in der Matratzengruft zu landen.

Irgendwas muss dran sein an all den Ammenmaerchen. In Minneapolis gibt es ein einzigartiges Skywalk-System; Roehren (natuerlich mit Heizung) zwischen einzelnen Gebaeuden, damit keiner draussen in der Kaelte laufen muss. Auch die grosse Universitaet von Minnesota ist komplett untertunnelt. Dafuer sind die Gipskarton-Wohnhaeuser (in denen u.a. ich lebe) alles andere als isoliert. Und nach dem satten Sommer wuerde der kommende Winter besonders frueh Einzug halten. Na dann.

Sonntag, 27. August 2006

Das Phantom

Mein neues Zimmer liegt in einem aeusserst geheimnis- vollen Doppelhaus, das einem geschiedenen Ehepaar gehoert. Die Frau lebt mit den Kindern im Erdgeschoss und kuemmert sich um den Garten, der Mann besitzt den Rest. Er heisst Steven und ist Trucker mit Leib und Seele.

Zusammen mit John (27, Foto rechts), Snoopy (8, Foto vorn) und Amy (24, nicht im Bild) bewohne ich die komplette zweite Etage - Stevens Reich. Das grosszuegige Wohnzimmer mit Couch, Entertainment-Bereich und Esstisch strotzt nur so vor seinen persoenlichen Sachen wie Fotos, indianischen Accessoirs und Fitness-Videos. Eigentlich ist fast alles in dieser Wohnung ihm; vor einigen Tagen stellten wir fest, dass niemandem die ganzen ollen Lebensmittel im Kuehlschrank gehoeren. Minuten spaeter wanderten 3 Muellsaecke Sondermuell in die Aschentonne. Warum John oder Amy nicht schon eher ausgemistet haben, bleibt ihr Geheimnis. Sie wohnen seit Januar bzw. Juni hier, haben Steven aber ebenfalls noch nicht gesehen. Obwohl sein Name am Briefkasten steht und auch immer wieder Post fuer ihn eintrudelt. Scheinbar handelt es sich um eine Briefkastenpersonalie.

Weil Steven immer auf Achse ist, verwaltet Dan (23, Foto links) seinen Teil des Hauses. Er selbst lebt im Keller und beraet seit seinem Abschluss als Politikwissenschaftler Politiker in Wahlkampffragen. John studiert globale Beziehungen an der Universitaet zu Minnesota, Amy macht auch in Wahlkampf und zieht von Tuer zu Tuer. Die naechsten Wahlen finden hier im November statt und entscheiden ueber den Senat in Washington, der alle zwei Jahre zu einem Drittel neu besetzt wird.
Alle 5 direkten und indirekten Mitbewohner sind schwer in Ordnung. Dan hat mir gleich einen Schrank geliehen, der nun zusammen mit dem Bett die zentralen Elemente in meinem Zimmer bilden. Gehoert natuerlich alles Steven, ist ja klar. Aufgrund Stevens sozialer Ader (er gibt jungen Akademikern Wohnraum zu unhaltbaren DDR-Tiefstpreisen) wuerde ich ihn gern zum Senator machen. Er ist Trucker und all seine Truckerfreunde wuerden fuer ihn sicher maechtig die Werbetrommel ruehren und einiges bewegen, aber leider ist die Meldefrist schon am 18. Juli abgelaufen.

Donnerstag, 24. August 2006

Gastgeber sein bedeutet Freunde

Sollte ich mich in letzter Zeit vermehrt kritisch ueber die USA, die Einheimischen oder die kleinen trans- atlantischen Unterschiede geaeussert haben, dann ist es nun besonders bedeutsam, die Gastlichkeit in diesem Land lobend anzuerkennen. Denn Gaeste bei sich aufzunehmen, bedeutet Menschen, die Freunde sind.

Seit meiner Ankunft am 12. August fliegen mir die Sympathien hier nur so entgegen. Mittelsmaenner oder -frauen vermitteln Kontakte, so dass ich von wildfremden Leuten vom Flughafen abgeholt werde, mich in fremden Wohnung wie zu Hause fuehlen darf und sogar zum Essen ausgefuehrt und ins taegliche Leben bestens integriert werde. Das beginnt mit der Zeit in Denis' WG, setzt sich fort mit dem Besuch meiner Schulfreundin Viola bei Bekannten in St. Paul und hoert auch in meiner neuen WG nicht auf. Wenn man noch nicht gegessen hat, wird schnell mal der Grill angeworfen. Oder ein schnoeder Bueroumzug wird zum Happing ausgebaut. (Siehe Foto1 mit Nat, Liz, Viola und mir. Foto2 - Nat und Liz spielen Ziege (Laufen einer schraegen Ebene; die sind genauso bekloppt wie wir. Hut ab.) Foto3 zeigt Denis und mich auf der Bowlingbahn, wir sind gerade nicht dran). Jeder bietet Hilfe bei was-auch-immer an, widmet sich mit Speisen und Getraenken und natuerlich viel Redestoff dem Neuen. "Awesome" sagt der Amerikaner immer wieder gern, was ungefaehrt so viel bedeutet wie "unglaublich fetztig" oder mit den Worten von Louis de Funes: "Wassss?! Oooooorrrrrhhhh".

Die Intension all dieser Handlungen habe ich noch nicht ganz durchschaut. Steckt ein teuflischer Plan hinter all der Freundlichkeit? Moeglich. Allerdings wissen wir, dass Freiheit auch Freizeit bedeutet und die Amis die Freiheit ja erst erfunden haben und nun den Menschenfreunden in aller Welt bringen. Und Freunde zu sein, bedeutet Gäste bei sich zu haben. Alles klar?!

Sonntag, 20. August 2006

Der Unsinn der Liquor Stores

Wal*Mart ist das Musterbeispiel fuer amerikanische Bequemlichkeit - von Babynahrung ueber Vorschlag- hammer und Videospiel bis zum Kleinkaliber kann alles in ein und demselben Laden erstanden werden. Wirklich alles? Nicht ganz, alkoholische Getraenke mit mehr als 3% Alkohol gibt es nur in den sogenannten Liquord Stores.

Wer am Samstag Abend zu seinem Steak im Garten kein Diaetbier trinken will, muss also nach dem Grosseinkauf noch in den Schnapsladen und dort Sprit kaufen. Das US-Gesetz verbietet Personen unter 18 Jahren den Eintritt in derartige Spelunken, was selbstverstaendlich auf allgemeine Zustimmung unter der wahlberechtigten Bevoelkerung stoesst. Der Bier-, Wein- oder Schnapskaeufer muss sich vor dem Kauf ausweisen und anhand eines Ausweises mit Lichtbild das fortgeschrittene Alter nachweisen.
Besonders Frauen finden es sehr charmant, wenn sie als unter 18 eingeschaetzt werden und kaufen, was der Geldbeutel hergibt. Ich hingegen empfinde diese intensive Art der Kontrolle zunehmend als Belaestigung: In zwei von drei Faellen gibt es mit meinen deutschen Ausweisen Probleme, weil sie im Land der unbegrenzten Moeglichkeiten einfach unbekannt sind. Nur 16% der US-Buerger besitzen einen Reisepass, woher sollen sie wissen, was das ist? Das riesige deutsche Personalausweisformat wirkt grundsaetzlich verdaechtig und Presseausweise scheint's hier gar nicht zu geben. Also egal ob Liquord Store, Kneipe oder Bowlingbahn - staendig muss die Legalitaet des Ausweises und das darin genannte Alter beschworen werden.

Das Foto zeigt Liz (29, rotes Hemd), Viola (26) und Nat (31) nachdem wir kein Bier fuer's Grillen bekommen hatten: mein Presseausweis reichte nicht aus, mich zu legitimieren, daher sah mich die unfreundlichste Verkaeuferin im Mittleren Westen der USA als Minderjaehrig an und gab entsprechend der Regeln auch keinen Boelkstoff an meine Begleiter raus. Ich moechte daher einmal mehr an den gesunden Menschenverstand appellieren, Mut zur Regelauslegung zu haben und eine Entscheidung der jeweiligen Situation anzupassen, Fingerspitzengefuehl zu zeigen. Meinen amerikanischen Fuehrerschein werde ich wohl erst in 4 Wochen praesentieren koennen, bis dahin bleibt der Zugang zu diversen Etablisments ein Kampf gegen Windmuehlen.

Donnerstag, 17. August 2006

Minneapolis - meine neue Stadt

Rund 1.500km den Mississippi flussaufwaerts liegt meine neue Heimat. Aber anders als bei Tom Sawyer und Hack' Fin im sonnigen Sueden weht hier der Ernst des Lebens durch die Strassen, alles ist kompliziert und alles kostet ploetzlich einen Haufen Kohle.
Das Komplizierte beginnt schon am Flughafen. Nach den furchtbaren Terrorvisionen von London sind die Sicherheitsbeauftragten noch etwas sensibler als vor 3 Wochen. Inzwischen wird jedes Gepaeckstueck geoeffnet, durchwuehlt und wieder verschlossen. Jeder Kommentar ist verboten, auch nachdem die Koffer mit "GUT"-Aufklebern versehen auf den Fliessbaendern davonrollern.
In der letzten Kontrollstufe kurz vorm Einstieg zeigte die Kontrollmaschine einen mysterioesen Gegendstand in meinem Handgepaeck an. Ein Kleiderschrank schrie mich zur Seite und widmete sich persoenlich meinem Rucksack. Ein Apfel war der Ursprung allen Uebels; ich durfte ihn behalten und weitergehen. Letztendlich haben wir Westeuropaer es da vergleichsweise gut: mein Ex-Zimmergenosse Louis hat dagegen das Pech, in einem sogenannten Schurkenstaat auf die Welt gekommen zu sein. Wegen ihm und seiner totalen Durchsuchung hatte der Flieger rund 30min Verspaetung, obwohl wir 2h vor Abflug am Check-In standen.

In Minneapolis angekommen (Bild 1), wurde ich netterweise von Mark abgeholt und zu Denis (Bild 2) nach Hause (Bild 3) gefahren. Der Kontakt wurde von entfernten Bekannten vermittelt. Astrein. Nun wohne ich im Zimmer von Anthony, der gerade in Brasilien weilt. Ich kann seinen Rechner, Denis' Handy und Marks Rad fuer die Wohnungssuche benutzen. Noch besser. Aussen sehen die Buden hier meistens recht nett aus, von innen sind sie aber eine Katastrophe. Die Einheimischen pflegen eine seltsame Architektur, alles ist winzig und nix ist massiv. Ich glaube, die bauen ausschliesslich mit Gips und Sperrholz. Schoenheitsreparaturen wer- den scheinbar ausschliesslich an Frauen zwischen 31 und 81 vorgenommen, aber nicht an Wohnungen, die es noetiger haetten bzw. bei denen tatsaechlich etwas gerettet werden koennte. In diesem Zusammenhang sollte man die Miete als Spende betrachten, damit die Eigentuemer sich endlich mal was leisten koennen. Rund 400 Dollar fuer ein WG-Zimmer pro Monat sind da eigentlich zu wenig - es ist ja fuer den guten Zweck.

Sonntag, 13. August 2006

Fackeln im Sturm

Die ersten 23 von 316 Tagen Abenteuer in den USA sind passe und von Mississippi geht's nun gen Norden nach Minneapolis, Minnesota. Bevor dort der ernste Part der Reise beginnt, soll hier zurueckgeblickt werden.

35 Studenten aus aller Welt zu Gast bei Freunden an einer Universtitaet, die zum ersten Mal einen Crash-Kurs ueber saemtliche amerikanischen Facetten des taeglichen Lebens hielt. Dafuer gab's rund 100.000 US-Dollar und einen langen Anforderungskatalog vom Institute of International Education der US-Regierung fuer die Uni. Entsprechend emsig kuemmerten sich alle MSU-Mitarbeiter um ihre Schaefchen aus Afrika, Asien, Europa, Mittel- und Suedamerika: vormittags Schule, nachmittags Aktivitaeten; Fruehstueck, Mittag, Abendessen in der Mensa; zwischendurch immer wieder ein Empfang an tollen Orten mit mehr oder weniger bedeutenden Leuten und die staendige Bemuehung, sich bei den Gaststudenten in bester Erinnerung zu halten.
Ohne Vorurteile lernten sich alle Fulbright-Gewinner mehr oder weniger kennen und trotzdem blieben die Kontinente weitestgehend unter sich. Die meiste Zeit verbrachte ich gemeinsam mit Christian (rechts, Regisseur aus Italien, geht nach LA), Najada (mitte, Politikwissenschaftlerin aus Albanien, geht nach NY) und Onur (nicht im Bild, Kasperkopp aus der Tuerkei). Die Asiaten sprechen fast nur, wenn sie gefragt werden und dann auch nur in einem kurzen Satz. Die Afrikaner haben so eine seltsame Betonung, dass ich sie kaum versteh.
Die Infrastruktur auf dem Campus uebertraf saemtliche Erwartungen, alles ist tres chique. Nur eine Kneipe oder besser eine Art Lounge fehlt, man koennte Millionen verdienen - aber es handelt sich um einen rauch- und alkoholfreien Campus.

Die Macher haben uns eine nette Zeit organisiert, fast alles bezahlt und zum Abschluss sogar noch ein nettes Diplom ueberreicht. Danke sehr!

Donnerstag, 10. August 2006

Mediennacht in Mississippi

Mississippi State University und die Hochschule Mittweida (FH) koennten zweieiige Zwillinge sein. Trotz unterschiedlichem Erscheinungsbild haben beide Institutionen ueberraschend viele Gemeinsamkeiten: neben traditionsreicher Ingenieurausbildung und provinzieller Langweile gibt es sogar eine Art Mediennacht.

Zum Ende des 3-woechigen Pre-Academic Programs sind die Fulbright Gaststudenten angehalten, vor den Augen des Praesidenten, seiner Dekane und anderer Wuerdentraeger der Region ein Kulturprogramm darzulegen und sich auf diese Weise fuer die Gastfreundschaft zu bedanken. Die ideale Gelegenheit fuer die Medienmafia, nach Mittweida ein weiteres Ausbildungscamp fuer die eigenen Familie zu annektieren. Als Moderator werde ich die versammelte Prominenz blenden, willenlos und gefuegig machen. Die ersten Schmunzelraketen sind bereits gezuendet - so werde ich mit dem populistischen Slogan "Freiheit, Gleichheit, Bruederlichkeit" ins Gefecht um Mississippi State ziehen. Auch das Wahlkampfmotiv steht bereits fest:
Die Zeit der Uebernahme ist guenstig, denn es ist Sommer. Sommer in Mississippi ist wie Sommer in Sevilla - jeder der kann verfluechtigt sich, um nicht wegzufliessen oder zig-$ am Tag fuer Klimaanlagen-Strom zu berappen. Der Campus gleicht einer Geisterstadt und die 16.ooo Seelen-Gemeinde Starkville scheint auch geschlossen zu haben, damit der Strom nicht knapp wird. Schliesslich haben Wal*Mart und die vielen Fastfood Restaurants 24 Stunden am Tag offen und die wuerden auch den Drive Thru oder den Parkplatz von 40 auf 20 Grad runterkuehlen, wenn sie koennten.

Mittwoch, 9. August 2006

Feuer in Herbert Hall

Nebuloese Ereignisse passieren des Nachts in unserem Quartier. Zur Eiseskaelte durch die Klimaanlage kommen vermehrt seltsame Geraeusche. Harte Hunde gewoehnen sich an alles, aber wenn ploetzlich Diskolicht ins Zimmer flackert und 40 Hausbewohner im Schlafanzug vor dem Gebaeude stehen, ergeben sich Fragen...
Der Muede versucht mitten in der Nacht alle Stoerungen zu ignorieren. Eine nur mittel- schwere Aufgabe, denn der US-Feueralarm klingt wie ein jaemmerliches Feuerheulen, wie eine Alarmanlage an der Hundehuette oder die eines Autos, dass aufgebrochen auf dem Meeresgrund liegt. Kurz, voellig langweilig und anders als ein ordentlicher deutscher Feueralarm, der ertoent, wenn die Freiwillige Feuerwehr mitt- wochs zur Probe und anschliessendem Besaeufnis ausrueckt. Entsprechend gluecklich muss man sein, dass es beim Alarm geblieben ist und gar nicht zum Feuer kam. Die meisten Auslaender und besonders die 7 Deutschen unter den Bewohnern haben voellig versagt, mussten von den Fire Fightern, die in voller Montur wie Darth Vader von Zimmer zu Zimmer gelatscht sind, persoenlich rausgeschmissen werden.
Als sich mein anfaenglicher Schockzustand verfluechtigt hatte (Foto 2), war dann sogar Zeit zum Posen (Foto 3). Gute 30 Minuten dauerte die Aktion bis jeder gegen 2.30 Uhr wieder schlafen durfte. Grundsaetzlich sind alle verpflichtet, beim ersten Heulen sofort das Haus zu verlassen. Darum stehen in den US-Filmen bei Grossbraenden auch immer eine paar Friseusen nur mit einem Haendehandtuch bekleidet auf der Strasse, weil sie gerade am Duschen waren. Und natuerlich keine Panik. Wengistens das haben wir hingekriegt.

Sonntag, 6. August 2006

Shreks Tochter im Unterricht

Shrek, der tollkuehne Zeichentrickheld, hat uns im Kino gelehrt, dass es keine Schande ist, fett und haesslich zu sein. Das ermutigt einige Einheimische, richtig aufzudrehen und auf everybody`s Darling zu machen. Entscheidend ist allerdings Herz und Verstand am rechten Fleck zu haben.

Unsere Klassenlehrerin Alison gehoert absolut in die Kategorie "waere schoen, wenn sie auf lautlos zu stellen ginge". Leider funktioniert das nicht und so haben wir taeglich 80min Fiepen in den Ohren. Selbst eine Unterscheidung zwischen ihrem Unterrichtsstoff, ihren eigenen, dummen Witzen und ihrem staendigen, kuenstlichen Lachen ist da nicht mehr moeglich. Zur Visualisierung dieses gewichtigen Phaenomens wird unser Klassenfoto herangezogen:
Hintere Reihe von links Franziska (Deutschland), Youri (Japan), Najada (Albanien), Alison (USA, Headcoach), Ute (Deutschland), Virag (Kambodscha), ego; sitzend von links Razimah (Indonesien), Fatimazora (Marokko), Louis (Irak, mein Zimmergenosse), Antonia (Nigeria), Jean-Paul (Kongo).

Im Unterricht von 8 bis 12 (Mo-Fr) lernen wir, die amerikanische Kultur zu verstehen und den Erwartungen des US-Lehrkoerpers gerecht zu werden. Schliesslich kann es sein, dass "je nach Kulturkreis ein nach der Loesung fragender Student als kein guter (evtl. sogar als schwacher) eingeschaetzt wird. Das amerikanische Bildungssystem ermutigt Studenten, Fragen zu stellen." (Zitat aus unserem Arbeitsbuch) So frage ich mich zum Beispiel, warum wir als gestandene Studenten lernen, wie Mitschriften zu fuehren sind, wie Texte nach gefragten Information ueberflogen werden und wie eine Rede aufzubauen ist. Zum Glueck lernen wir auch, dass sich der Durchschnitts-Amerikaner gern unterhaelt, aber Gehaltvolles wie Politik, Religion und alles weitere, wo Argumente benutzt werden koennten, umschifft. Daraus resultiert eben dann das Weltbild, dass alles US-Fremde mit Papua-Neuguinea gleichgestellt wird.

Mittwoch, 2. August 2006

Meck-Pom der USA

Die meisten Fans des Bundesstaats Mississippi leben in Alabama, weil sie genau wissen, ihr westlicher Nachbar bewahrt sie vor der Roten Laterne. Mississippi gilt als der unterentwickelste und armseligste Staat der USA. Und doch scheint die Sonne am Ende des Tunnels.

Am 10. Dezember 1817 wurde die Region oestlich des "grossen Flusses" als 20. Mitglied in die Gemeinschaft der Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen. Unter 2,3 Mio. Einwohnern machen 2/3 der Beschaeftigten in Landwirtschaft und hueten u.a. 4 Mio. Kuehe. Ob diese Tatsache der Grund fuer die einzige Spitzenposition, in Mississippi leben prozentual die meisten Uebergewichtigen, ist, kann nicht bestaetigt werden.

Die Geschichte Mississippis ist eng mit dem leidvollen Weg der Sklaverei verbunden. Farmer besiedelten die fruchtbaren Schwarzerdeboeden der Region und schlossen sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zu weitlaeufigen Plantagen zusammen. Der wirtschaftliche Erfolg des Baumwollhandels steigerte den Bedarf an Arbeitskraeften, so dass Sklavenhaltung zur Normali- taet wurde. Gleichzeitige entwickelte sich auch der Rassismus der weissen gegenüber der schwarzen Bevölkerung, der in den Suedstaaten bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts andauerte. In Mississippi gibt es beispielsweise noch heute 8 Universitaeten und Hochschulen, weil frueher eine Trennung zwischen Schwarzen und Weissen Gang und Gaebe war.

Wie der Nordosten Deutschlands kaempft auch Mississippi gegen die Abwanderung der gebildeten Bevoelkerung und kann zumindest einen Teilerfolg verbuchen: in den letzten Jahren ziehen vermehrt aeltere Leute in den sonnigen Sueden und an die wunderschoenen weissen Straende am Golf von Mexiko. Guenstige Lebenshaltungskosten und die angenehmen klimatischen Bedingungen (mit Ausnahme von Wirbelstuermen) locken.

Dienstag, 1. August 2006

Neuzugang weckt Hoffnung

Nach Pele und Beckenbauer Ende der 70er und der WM in den 90er Jahren versucht die USA einmal mehr Soccer zu etablieren. Mit Christoph Runne hat die Mississippi State University einen Europaeer als Spielertrainer verpflichtet, der das Geschehen auf dem Platz organisieren und fuer mehr Popularitaet sorgen soll.

Der amerikanische Fussball, Soccer, definiert sich in erster Linie ueber eine hervorragende Jugendarbeit. In fast jeder Highschool wird Fussball gespielt, die Jungs und Maedels verfuegen ueber exzellente Balltechnik und sie trainieren unter erstklassigen Bedingungen. Universitaeten, so faellt dem unwissenden Beobachter auf, foerdern spaeter gewoehnlich nur noch Frauenteams. Aus welchen Gruenden auch immer.

Mississippi State will diesen einseitigen Zustand durchbrechen und setzt auf eine Mischung aus organisierter Spielkultur, Kampfkraft und Kunst am Ball. Sportchef Dr. Bill Person (im Foto rechts auf der linken Seite) ist davon überzeugt, dass Runne das Team verstärken wird: "Wir haben die Entwicklung von Christoph seit langem verfolgt und freuen uns, dass er zu MSU wechselt. Schon in den ersten Tagen in Mississippi hat er seine Klasse eindrucksvoll unter Beweis gestellt."
Runne soll sich in der kommenden Saison zum lange vermissten Leitwolf bei MSU, der Mississippi State University, entwickeln. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte wird nun vom intelligenten Spiel, Bewegen ohne Ball und Teamgeist gesprochen. "Und eine feine Graetsche als Zucker`l obendrauf", wie Runne augenzwinkernd anmerkt.

Insider gehen davon aus, dass Christoph Runne Mississippi State nur als eine Zwischenstadion auf dem Weg zu den Top-Clubs im reicheren Norden betrachtet. Es wuerde einer Sensation gleichkommen, die bisherige Multikulti-Truppe mit ihren vielen Individualisten kurzfristig zu einer verschworenen Einheit zu verschmelzen. In jedem Fall werden alle Veraenderungen im Team fuer eine Menge Zuendstoff sorgen.