Mittwoch, 25. April 2007

Der Winter in Minnesota I

In der Retrospektive 'Winter in Minnesota' werden Dinge angesprochen, die auf keine Kuhhaut gehen. Die Leute wissen, dass es arschkalt wird, trotzdem wohnen sie in Häusern, die so isoliert sind wie ein Trabi: Gestell, Pappe, ein bisschen Farbe und das war´s.

Obwohl deutsche Ingenieurkunst in Amerika einen sehr guten Ruf genießt und gern kopiert wird, beim Thema Hausbau geht das US Volk seinen eigenen Weg und baut leider wie eine Bananenrepublik.


Liegt viel Schnee, wird das Dilemma besonders deutlich: Die fehlende Isolierung läßt Unmengen von Wärme aufsteigen und erwärmt das Dach dermaßen, dass der Schnee trotz heftiger Minusgrade langsam schmilzt. Aufgrund der sibirischen Kälte gefriert der tauende Schnee augenblicklich, wenn diese unfreiwillige Bodenheizung an der Dachrinne aufhört.
Der Vorteil besteht jedoch darin, dass die Schneemassen auf dem Dach kontinuierlich abgebaut werden und damit die Einsturzgefahr der Häuser enorm verringert wird. Gleichzeitig steigt natürlich die Gefahr, von einem herabfallenden Eiszapfen erstochen oder erschlagen zu werden. Aber was heißt hier eigentlich Einsturzgefahr - im Winter in Minnesota verwandelt sich fast jedes Haus in eine Art Iglo, also ein Dauerfrostgebilde, das in sich hält.

Die Fenster sind ebenfalls ein Kapitel für sich. Unsere sind so undicht, dass sie zum Lüften gar nicht geöffnet werden müssen. Es ist ja auch nur eine einfache Glasscheibe ohne jeden Kunststoffzusatz, wenn man von dem knochenharten Kitt einmal absieht. Darum haben wir (wie die meisten in der Region) unser Fenster mit Folie zugeklebt. Dann kann zwar nicht mehr gelüftet werden, aber wenigstens wird verhindert, dass der Kaffee in der Tasse eine Eisschicht bildet.


Das mit der Eisschicht ist nie passiert, weil ja die Heizung ununterbrochen bullert. Im März hatten wir für unsere Wohnung noch immer saftige $250 Heizkosten, obwohl es nicht mehr soo kalt war und wir die Innentemperatur um die 18°C gehalten haben.

Der stete Energieausstoß in die Umwelt wird bei den Betrachtungen zur globalen Erwärmung bisher noch immer unter dem Tisch gehalten. Ich bin gespannt, ob die Enthüllungen auf dieser Seite dazu beitragen können, für besseres Wohnen und angenehmeres Leben im Midwesten der USA zu sorgen.

Sonntag, 22. April 2007

... und es war Sommer

Die Zeit der zugeknöpften Jacken ist vorbei: die letzte geschlossene Schneedecke gab´s am 11. April und nun haben wir täglich um die 20°C. Jacke war gestern in den 3,5 Tagen Frühling.


Was in Mitteldeutschland wohl schon Anfang Februar der Fall war, kommt nun endlich auch hier zum Vorschein - frisches Grün. Und es macht plötzlich wieder Spaß, draußen zu sein. In meiner Straße verwandeln sich die junge Triebe förmlich beim Zusehen in herzhafte Blätter.
Lange hat es gedauert, bis die Sonne wieder zu alter Stärke gefunden hat. Auch wenn der hiesige Winter und die Schneemenge unter den Prognosen geblieben ist, aus meiner mitteldeutschen Sicht hatte er es in sich und zog sich wie Kaugummi. Ende März gab es einen zweitägigen Ausreißer nach oben, als wie aus dem Nichts plötzlich 24°C die Schneeschmelze einleiteten.


Doch wenige Tage später und 200 Milen nördlicher waren die Temperaturen wieder da, wo sie in dieser Region meistens sind: unter Null. Gefühlte Temperatur: - 20°C.


Im Winter frieren und im Sommer schwitzen. Extrem kontinentales Wetter wie ich es nur aus dem russischen Hinterland kannte. Hier wie da finden sich die Menschen damit ab und leben im Einklang mit der Natur. Richtig, die Natur wird respektiert und die Menschen leiden mit ihr. Fortsetzung folgt...

Mittwoch, 18. April 2007

Meine Schule - eine Galerie

An meiner Kunsthochschule lernen rund 700 Studenten in den Disziplinen Grafik-Design, Möbelgestaltung, Film und Werbung. Fächer wie Joga oder Ausdruckstanz sind fakultativ, finden jedoch großen Zuspruch. In dieser kreativen Umgebung entstehen wöchentlich Kunstwerke von mehr oder weniger ansehnlicher Schönheit, die mit Stolz im Schulhaus ausgestellt werden. Eine Tour vom Erdgeschoss bis in die 3. Etage.

Zugegeben, ich habe von Kunst so viel Ahnung wie eine Kuh vom Radfahren und darum möchte ich keinerlei Wertungen über die Werke meiner Kommilitonen abgeben. Aber ich weiß, was mir gefällt und davon gibt´s hier so einiges.
An der Stelle sollte noch einmal klargestellt werden, dass mein Schulhaus nun wirklich nur ein großes Haus ist, in dem sich alles abspielt. In der Lobby kommt´s schon knüppeldick - entweder es gefällt oder nicht bzw. es macht Sinn oder nicht. Die ganze Bandbreite von Kunst.




Filme gibt es auch, die meisten bestechen durch ihre Experimentierfreudigkeit und sind zäh wie ein altes Steak. In jedem Fall aufwändig im Kontext (oder neudeutsch im Look & Feel) des Films ausgestellt.
Das folgende Wohnzimmer gehört zu dem Projekt "Red Jacket Mysteries", eine Reihe animierter Abenteuer von zwei Rentnern. Ist ganz witzig, aber beim genauen Hinsehen wird deutlich, dass die Macher auch nur mit Wasser kochen: redjacketmysteries.com

Das ist vermutlich die wichtigste Erkenntnis, die sich beim Durchschreiten der Schule einstellt - die Studenten wissen, wie der Hase läuft und können erstaunlich gut malen, basteln, fotografieren oder photoshopen. Nur die jeweilige Idee erschließt sich nicht immer sofort, oft sogar gar nicht.

Ausstellen zu dürfen, ist nicht unbedingt eine Ehre, denn es gehört zur Schulphilosophie. Es ist vielmehr eine Chance, seine Arbeit zu zeigen und auf sich, die eigene Kunst und persönliche Denkrichtung aufmerksam zu machen, Anhänger zu finden. Meine Ausstellung begann am vergangenen Freitag und dauert bis kommenden Sonntag. Sie ist nicht unbedingt überdurchschnittlich, hat lediglich mehr Gewicht, weil die Beteiligten im Mai abgehen.

Uns hat das Direktorat daher in einen extra Raum gesteckt, ein luxuriöses Schild und sogar einen Empfang mit wenigen teure Schnittchen (leider auch wenig Geschmack) spendiert.
Auf Einladung kehren eine Handvoll MCAD-Absolventen zurück und reden über die Ausstellung, das Business und das Leben schlechthin.

Einen hochdotierten Arbeitsvertrag hat mir keiner Angeboten, nicht mal ein unbezahltes Praktikum. Die Besucher kommen, schmunzeln und ziehen meist wortlos weiter. Und am Ende war dieser kleine Wurm der einzige, der mein Arrangement nutze und wie gebannt geglotzt hat. Allerdings nicht meine Filme sondern "Findet Nemo" auf dem eigenen mobilen DVD Player.

Mittwoch, 11. April 2007

Heimweh

Meine Tage in Amerika sind gezählt. Zuletzt habe ich sogar schon einen Brief bekommen, dass mein US-Führerschein am 3. Juni 2007 ungültig wird, wenn ich keine neuen Papiere einreiche. Na danke, am 3. Juni fliege ich gerade ins alte Europa zurück. Als könnten die Amis es nicht erwarten, mich loszuwerden.

Da kann ich nur Lachen. Einmal mehr wird deutlich, dass Amerika nicht nur Paradies, sondern mehr Ellenbogengesellschaft ist. Wahrscheinlich werden immer mehr Menschen auf diese Kolumne aufmerksam und fürchten sich vor weiteren Enthüllungen.
In zwei zentralen Punkten können nämlich die Amis mit uns Deutschen einfach nicht mithalten - Essen und Fußball. Sie würden gerne, geben sich Mühe, aber ganz packen sie es einfach nicht.

Beispiel Nr. 1 ist Aldi. Der Discounter ist auch hier zu Hause und seine Geschäfte sehen innen aus wie in Böhlitz-Ehrenberg oder Bottrop.
Wohl aufgrund der deutschen Wurzeln gibt´s beim Aldi gelegentlich die gute "Deutsche Küche" Aktionswoche, wo der Klischeefraß angeboten wird, den es sonst nicht gibt.

Es sieht echt aus, schmeckt aber wie Angebotsessen aus der Mensa. Vielleicht sogar schlechter. Auf jeden Fall anders als erwartet.

Beispiel Nr. 2 ist Fußball. Das Desinteresse am Sport der Europäer ist bekannt. Neu ist allerdings, dass die Amerikaner ihr eigenes Ding aufziehen und beim Tischfußball immer 13 gegen 13 spielen.


Neben dem Torhüter bommeln noch zwei Flitzer. Was die da suchen, kann keiner erklären. Aber, so frage ich, woher sollen sie´s denn auch wissen? Wenn Champions League kommt, dann überwältigt den Durchschnittsamerikaner gerade die Nachmittagsmüdigkeit. Da ist leider keiner in der Kneipe, der zwischendurch mal wutentbrannt aufspringt und "Den hätt´ doch jeder Schüler reingemacht!" Richtung Leinwand brüllt. Völlig tote Hose.
Entsprechend einsam und allein mußte ich erst das Ausscheiden der Sachsen und dann das der Bayern aus ihren jeweiligen Pokalwettbewerben beweinen.