Samstag, 30. Dezember 2006

Gesundes Neues Jahr

Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass Deutschland im Rausch die Fußball-WM erlebt, Anzeichen für Wasser auf dem Mars gefunden werden und ich mich in Amerika inzwischen ganz wie zu Hause fühle? Ein altes Sprichwort sagt, dass ja doch alles anders kommt. Und das macht das ganze Leben auch so interessant.

Ich danke für den regen Kontakt und alle Zuwendungen, die ich aus Deutschland erfahre. Dieses, eures Interesse läßt mich nicht ruhen, weiterzuforschen und über die kleinen Unterschiede im Alltag zu berichten.

Möge 2007 für euch alle ein erfolgreiches und gesundes, glückliches und abwechselungsreiches Jahr werden.
Nadin und ich werden in Chicago ins neue Jahr und danach über die Pisten in Nord Michigan rutschen. Am 8. Januar sind wir zurück am Schreibtisch.

Herzlichst,
Christoph & Nadin.

Montag, 25. Dezember 2006

Weihnachten in Minneapolis

Weihnachten fern der Heimat hat Vor- und Nachteile, in jeder Hinsicht ist es anders. Der gewohnte Festtagsablauf wird durcheinander gewirbelt. Aber letztendlich ist der Heilige Abend in Amerika auch am 24. Dezember.

Kirche spielt in Amerika eine deutlich größere Rolle als in Deutschland, denn viele Leute gehen tatsächlich hin. Auch wenn nicht Weihnachten ist.
An fast jeder Ecke gibt es eine Kirche mit vielfältigem Programm. Zum Christfest sind wir allerdings in die größte und schönste gegangen, die Minneapolis zu bieten hat: in die St. Maria Basilika.


Der einzige Unterschied zwischen der Leipziger und der St. Maria Christvesper war die Sprache und das Heilige Abendmahl, das zum Ende gefeiert wurde. Die Kirche war voll bis auf den letzten Platz, besetzt von 99% Weißen (Fehlerquote 1%). Wo die anderen waren, weiß ich nicht. Wir haben nicht darüber nachgedacht, sondern uns am Gottesdienst und all den beeindruckenden Details erfreut.


Davon angestachelt, haben wir dann am Abend in unserem kleinen Weihnachtszimmer auch eine Krippe gebastelt. Mit Kinderknete aus meiner Uni, die in der "Kostenlos Ecke" zum Mitnehmen stand.


Die schönste Bescherung gab es dann schließlich am 25.12., als wir zum 1. Feiertag fein Essen gehen wollten: alle Restaurants jenseits dem McDonald´s Segment hatten geschlossen, Downtown glich einer Geisterstadt. Wer hätte auch geahnt, dass im Land der 24-Stunden-Shopping-Märkte ausgerechnet an diesem besonderen Tag Schicht im Schacht ist?

Freitag, 22. Dezember 2006

Frohe Weihnachten

Lieber Leser,

mit einem jugendlich-frischen Postkartengruß wünschen wir ein gesegnetes Weihnachtsfest im Kreise der Familie.


Im Mittleren Westen der USA hat es pünktlich zum kalendarischen Winteranfang geschneit und die kitschige Weihnachtsdeko an vielen Häusern in der Nachbarschaft sieht nicht mehr ganz so albern aus.
Besinnt euch lieber auf die wahren Werte des Weihnachtsfestes!

Herzlichst,
Christoph & Nadin.

Dienstag, 12. Dezember 2006

Jeder Tag ein Endspiel

Das Wintersemester heißt in Amerika Herbstsemester, weil es Ende August beginnt und schon vor Weihnachten zu Ende ist. An meiner Kunsthochschule schreiben wir keine Klausuren, sondern werden nur an Projekten gemessen. Das ganze Jahr nur Praxis und abschließend muss alles auf Hochglanz poliert eingereicht werden. Die heißeste Phase überhaupt.

Der pädagogische Ansatz meiner Hochschule besteht darin, dass sich die Studenten ausprobieren sollen. So gibt es fast ausnahmslos praxisrelevante Projekte, in denen wir in kleinen Teams oder alleine u.a. Organspende in Polen propagieren oder einen Nachbar- schaftskalender entwicklen, Werbespots für Snickers ausdenken oder Filme drehen.
Theorie gibt es wenig bis gar nicht, jeder muss selbst sehen, wie er was macht. Das muss dann aber auch begründet und von Woche zu Woche der aktuelle Stand präsentiert werden. Eigentlich spielt es keine Rolle, was da hingerotzt wird, denn am Ende gibt es immer Applaus. Kreative halt.

Einen Haken hat die Sache allerdings: Am Ende des Semesters muss alles schick eingereicht werden und die Begründung, `es sei ja nur ein Entwurf`, gilt nicht mehr. Die Zensuren für meine Fächer wie `Integrierte Kommunikation`, `Visualizierung`, `Werbetext` oder `Filmproduktion` basieren einzig auf den zur letzten Stunde mitgebrachten ausgedrucken Grafiken, Filmen und Präsentationen.
Leider macht es wenig Sinn, schon vorher sämtliche Ausführungen zu perfektionieren, weil Professoren, Dozenten und der Rest der Klasse immer wieder was zu meckern haben. Ein Teufelskreis. Und deshalb hat es der Dezember besonders in sich - erst recht die letzte Woche, da wird dann jeder Tag zum Endspiel und der Konsum an Energy Drinks schnellt in schwindelerregende Höhe. Kein Wunder, dass Red Bull im eigenen Gewinn ertrinkt und sogar einem maroden Fussballverein Flügel verleihen will.


Auch bei noch so viel Aufputschmitteln muss irgendwann mal geschlafen werden. Hier versucht Ryan aus meiner Nach- barschaftsprojektgruppe verzweifelt gegen die Müdigkeit anzukämpfen. Er wird den Kampf verlieren, mal zum Duschen und Umziehen nach Hause fahren und die nächsten Tage wie ein Zombi rumlaufen.


Gruppenprojekte erfordern meist die Anwesenheit von allen Mitgliedern, um die Dynamik so richtig in Schwung zu bringen. Da kann auch keine Rücksicht auf müde Geister genommen werden.
Da sitzt man gern gemeinsam im Studio, schaltet sein Gehirn aus und versucht einfach nur fertig zu werden. Nebenbei läuft hier `Casino Royal` gefolgt von `Amelie` und 4 Folgen `Family Guy`.


Zum Glück wissen wir, wofür wir uns quälen - für gute Noten und den wunderschönen Sonnenaufgang, beobachtet durch das Pano- ramafenster von unserem Studio in der Hochschule.


Wenn die Studenten ordentlich wulacken, dann entsteht natürlich auch das ein oder andere schöne Kunstwerk, dass dann im Schulhaus ausgestellt wird. Im Prinzip sieht meine Schule immer wie ein Museum aus. Davon demnächst mehr...

Donnerstag, 7. Dezember 2006

Scutigera Coleoptrata

Der Name für unsere Kellergeister steht fest. Zeitlosigkeit und königlich anmutender Klang haben den Ausschlag im großen Krabbelkäfer-Quiz gegeben. Der Sieger steht fest, die Million ist vom Tisch und nun im Besitz eines New Yorkers.

Allen Teilnehmern herzlichen Dank für ihre Überlegungen und gelungene Einreichungen. Am Ende hat sich doch die Wahrheit durchgesetzt, denn Scutigera Coleoptrata heißt nix anderes als House Centipede, Haus Tausendfüßler.
Die kleinen Viecher sind ungefährlich, aber 1000x ekliger als Kellerasseln. Es gibt Mythen, in denen die Dinger bis zu 30cm lang werden und sich formnehmlich in Damenunterwäsche verstecken.

Gewußt hat all das mein neuer Kumpel, der ganz oben auf dem Empire State Building arbeitet. Von dort hat er natürlich eine bombige Aussicht, beobachtet so einiges und weiß so viel Dr. Allwissend. Er hat sich das Preisgeld verdient und wird nun nur noch zu privaten Zwecken auf die Gangs von New York und alle anderen, die sich in dieser Weltstadt tummeln, runterblicken.


Ein weiterer Gewinner ist der Centipede selbst. Durch sein resolutes Auftreten, seine Willensstärke und seinen unerbittlichen Einsatz hat er sich eine Nebenrolle in meinem neusten Film erkämpft. Hier ein kleiner Ausschnitt.


In Europa sind die kleinen Centipedes eher selten, was aber nicht heißen muß, dass sich nicht doch einmal ein oder zwei unter eurer Bettdecke verstecken. Angenehme Träume.

Dienstag, 5. Dezember 2006

Das Geheimnis der Knacklaute

Wenn Amerikaner versuchen deutsch zu sprechen, dann klingt das ungewohnt. Im Grunde beherrschen nur wenige unsere Sprache, aber einige können ein paar Sätze auswendig aufsagen. Das klingt dann wie eine Mischung aus Nazi-Rede und Maschinengewehrgeräuschen. Der Linguist spricht in diesem Fall von Knacklauten. Mit Beispiel-Video.

Ausgerechnet an der Eisbahn am Rockefeller Center sind wir auf die Bedeutung der Knacklaute gestoßen: Als Nadin und ich verliebt in der November-Sonne standen und versuchten uns und die goldene Prometheus-Statue in ein Foto zu quetschen, kamen wir ins Gespräch mit einem freundlichen Sicherheitsbeamten aus der Ukraine. Er konnte neben seiner Muttersprache und Englisch auch noch ganz ordentlich Deutsch, Spanisch und eine weitere Sprache. Seine erste Reaktion auf uns Deutsche war weder Fußball-WM noch Bier sondern das Thema Knacklaute.

Deutsch-Schülern fällt es hörbar schwer, fast jedes Wort einzeln zu betonen. Verantwortlich sind die Knacklaute, die (vereinfacht dargestellt) nichts anderes als Trennlaute vor Worten oder betonten Silben sind, die mit einem Vokal beginnen. Im Gegensatz zum Englischen werden dadurch Wörter nicht direkt miteinander verbunden.
Knacklaute sind die Ursache für die harte deutsche Sprachmelodie, die dann entsteht, wenn englische Zungen einen deutsche Satz bilden. Beispiel ansehen.


Der Inhalt ist nicht entscheidend (Liz ist besorgt, dass rohes, vor wenigen Minuten gekauftes Fleisch aus dem Supermarkt in der Augusthitze verdirbt, wenn wir nicht auf direktem Weg zum Kühlschrank fahren). Vielmehr sei betont, dass wir Sachsen beim Sprechen oft den Unterkiefer aushängen, die Sprache einfach fließen lassen und dadurch Knacklaute vermeiden. Darum fällt es uns vielleicht auch leichter, melodische Fremdsprachen wie Englisch oder Französisch zu lernen.

Freitag, 1. Dezember 2006

Bring Your Own Booze

Steht an einer Restauranttür "BYOB", dann schlägt das Herz von so manchem Sparfuchs höher: BYOB bedeutet, "bring deinen eigenen Schnaps mit". Die Vergabe von Ausschanklizenzen ist in Amerika Ländersache und wird entsprechend in jedem Bundesstaat unterschiedlich geregelt. Eine alkoholische Betrachtung Pennsylvanias.

Die sogenannte "Liquor License" scheint eine sehr schwierige Angelegenheit zu sein: in jedem Bundesstaat gibt es eine eigene Behörde, die den Handel und den Ausschank von Wein und Hartalk kontrolliert und durch limitierte Lizenzen begrenzt. Diese Einrichtungen gehen zurück auf die Prohibition und die 21. Erweiterung der Verfassung von 1933 (Christoph Runne berichtete).
Die zuständige Behörde (Pennsylvania Liquor Control Board) in unserem Thanksgiving-Urlaubsdomizil hat besonders harte Spielregeln festgelegt: Pro 3.000 Einwohner in einem bestimmten Bezirk gibt es eine Weiterverkaufs-Lizenz, um die sich dann Schnapsläden, Kneipen, Restaurants und sonstige Vergnügungsetablissements streiten. Ein Großhändler kommt auf 30.000 Einwohner.
Restaurants müssen zudem sämtlichen Alkohol über die Behörde beziehen, die dadurch ein Monopol hält und nach Belieben die Preise diktiert. Wer hätte das in der marktwirtschaftlichsten aller Wirtschaften vermutet?

Aus diesem Grund ist es nur allzu verständlich, dass manche Restaurants einfach den vom Gast mitgebrachten Alk ausschenken. Das muss man sich mal vorstellen: Anstatt ne Flasche Wein a la carte für $50 oder mehr zu kaufen, stoppt man schnell an der Bude und holt gleich 2-3! Das Trinkgefühl bleibt gleich, denn schmucke Gläser und den Service gibt´s für einen kleinen Obolus. Außerdem sind wir hier ja in Amerika und die Möglichkeiten sind grenzenlos, d.h. wer Tequila bringt, dem werden sogar leckere Margaritas gemixt. Und da läuft natürlich der Laden!

Eine weitere Folge der begrenzten Ausschanklizenzen ist der Rückzug vieler stimmungsvollen Trinker ins Private. Da wird nicht gekleckert, da wird geklotzt. Denn die Zeit vergeht und schnell ist nichts getrunken.


Jim, unser Thanksgiving-Gastgeber, läßt sich in dieser Beziehung nicht lumpen; zeigt, was er hat und bietet großzügig an. Er hat sogar seine eigene Cocktailkarte mit selbst-kreierten Martini-Variantionen! Er hat ja aber auch genug auf Lager...


Erwähnung soll außerdem mein neuer Freund finden, den mir Jim vorgestellt hat: Er heißt Old-Fashioned und besteht zu 60% aus billigem Whiskey, der in eine Zuckerlauge gekippt wird. 2-3 Eiswürfel und einen Orangenscheibe, fertig. Das ideale Getränk wenn man (wie ich) eigentlich nicht so der Whiskey-Trinker ist. Das Zeuch ist lecker und trinkt sich wie von selbst.


Im heimischen Minneapolis gibt es derartig scharfe Ausschankbeschränkungen nicht. Nach Angaben meiner Mitbewohner sind die BYOBs hier rar. Anscheinend darf hier jeder anbieten, was er will. Na dann Prost.