Dienstag, 12. Dezember 2006

Jeder Tag ein Endspiel

Das Wintersemester heißt in Amerika Herbstsemester, weil es Ende August beginnt und schon vor Weihnachten zu Ende ist. An meiner Kunsthochschule schreiben wir keine Klausuren, sondern werden nur an Projekten gemessen. Das ganze Jahr nur Praxis und abschließend muss alles auf Hochglanz poliert eingereicht werden. Die heißeste Phase überhaupt.

Der pädagogische Ansatz meiner Hochschule besteht darin, dass sich die Studenten ausprobieren sollen. So gibt es fast ausnahmslos praxisrelevante Projekte, in denen wir in kleinen Teams oder alleine u.a. Organspende in Polen propagieren oder einen Nachbar- schaftskalender entwicklen, Werbespots für Snickers ausdenken oder Filme drehen.
Theorie gibt es wenig bis gar nicht, jeder muss selbst sehen, wie er was macht. Das muss dann aber auch begründet und von Woche zu Woche der aktuelle Stand präsentiert werden. Eigentlich spielt es keine Rolle, was da hingerotzt wird, denn am Ende gibt es immer Applaus. Kreative halt.

Einen Haken hat die Sache allerdings: Am Ende des Semesters muss alles schick eingereicht werden und die Begründung, `es sei ja nur ein Entwurf`, gilt nicht mehr. Die Zensuren für meine Fächer wie `Integrierte Kommunikation`, `Visualizierung`, `Werbetext` oder `Filmproduktion` basieren einzig auf den zur letzten Stunde mitgebrachten ausgedrucken Grafiken, Filmen und Präsentationen.
Leider macht es wenig Sinn, schon vorher sämtliche Ausführungen zu perfektionieren, weil Professoren, Dozenten und der Rest der Klasse immer wieder was zu meckern haben. Ein Teufelskreis. Und deshalb hat es der Dezember besonders in sich - erst recht die letzte Woche, da wird dann jeder Tag zum Endspiel und der Konsum an Energy Drinks schnellt in schwindelerregende Höhe. Kein Wunder, dass Red Bull im eigenen Gewinn ertrinkt und sogar einem maroden Fussballverein Flügel verleihen will.


Auch bei noch so viel Aufputschmitteln muss irgendwann mal geschlafen werden. Hier versucht Ryan aus meiner Nach- barschaftsprojektgruppe verzweifelt gegen die Müdigkeit anzukämpfen. Er wird den Kampf verlieren, mal zum Duschen und Umziehen nach Hause fahren und die nächsten Tage wie ein Zombi rumlaufen.


Gruppenprojekte erfordern meist die Anwesenheit von allen Mitgliedern, um die Dynamik so richtig in Schwung zu bringen. Da kann auch keine Rücksicht auf müde Geister genommen werden.
Da sitzt man gern gemeinsam im Studio, schaltet sein Gehirn aus und versucht einfach nur fertig zu werden. Nebenbei läuft hier `Casino Royal` gefolgt von `Amelie` und 4 Folgen `Family Guy`.


Zum Glück wissen wir, wofür wir uns quälen - für gute Noten und den wunderschönen Sonnenaufgang, beobachtet durch das Pano- ramafenster von unserem Studio in der Hochschule.


Wenn die Studenten ordentlich wulacken, dann entsteht natürlich auch das ein oder andere schöne Kunstwerk, dass dann im Schulhaus ausgestellt wird. Im Prinzip sieht meine Schule immer wie ein Museum aus. Davon demnächst mehr...

1 Comments:

Blogger chrwil said...

Erstaunlich und extrem lobenswert, dass trotz der hier dargestellten Repressalien Zeit bleibt, die Berichterstattung fortzuführen.

Wünsche allzeit eine ordentliche Dosis Koffein zur Hand.

Grüße
Christian

18.12.06  

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