Play Ball!
Amerikaner mögen vieles nicht wissen, aber ihre Nationalhymne können sie - bis auf die Tatsache, dass die letzten Worte "home of the brave" und nicht "play ball!" sind. Die Ursache für beide Erscheinungen ist die ewige Tradition, bei fast jedem Anlaß mit der Nationalhymne zu beginnen. Erst recht beim College Football.
Die US-Sport-Nachwuchsförderung ist komplett anders organisiert als in Deutschland: Die Universitäten sind die Sprungbretter zu den Profi-Clubs und damit zu den dicken Verträgen. Wer es in den 4 Jahren Uni nicht schafft, sich durchzusetzen, wird es nie schaffen und niemals ein Angebot bekommen. Aufgrund dieses Drucks ist ganz schön Feuer in jeder Mannschaft - und die Zuschauer nehmen es genauso ernst. Also, so scheint es zumindest.
Es folgt eine Fallstudie vom Spiel "Eulen" gegen "Erdhörnchen" - alle Universitäten haben neben ihren offiziellen Namen tierische Maskottchen, um sich auszuweisen. Darum spricht man nicht von Temple University gegen University of Minnesota oder Philadelphia gegen Minneapolis, nein, es spielen Owls versus Gophers.
Die Profi-Sportvereine nehmen das ganze dann etwas ernster und haben gefährlich klingende Namen wie Sharks, Tigers oder Grizzlies.
12:45h, 15min vor Anpfiff: die Arena füllt sich. Auf den billigen Plätzen ist die Stimmung gut, obwohl das Bier $8 kostet. Im Vergleich zu den $10 Eintrittspreisen kein Schnäppchen.
12:55h, 5min vor Anpfiff: die obligatorische Nationalhymne mit Blasmusik. Das 63.000 Zuschauer fassenden Stadion noch nicht ganz voll.
13:30h, 1. Viertel: Die Gophers führen 21:0, die Stimmung ist gut, die Zuschauer sind zufrieden. Sind wohl an die 40.000 Leute im Metrodome.
13:55h, 2. Viertel: Die Gophers führen 32:0, die Stimmung läßt nach, die Zuschauer sind mit Essen und Trinken beschäftigt.
15:30h, 4. Viertel: Willkommen im Zentralstadion. Die Gophers führen 56:0. Der Gegner spielt schlecht, das Spiel ist einseitig, aber es wird gepunktet. Trotzdem sind die meisten Leute schon im 3. Viertel gegangen.
15:40h, Schlusspfiff: Die Gophers gewinnen 63:0. Auch wir sind inzwischen gegangen, "um den Ansturm auf die umliegenden Parkplätze zu umgehen", so die offizielle Begründung.
Fazit: es scheint, das Sportinteresse des Durchschnitts-Amerikaners ist so oberflächlich wie er selbst. Bei einem 63:0 kann man von einer deutlichen Klatsche sprechen, vergleichbar mit 7 oder 8 Toren im richtigen Fußball. Was sollen die Jungs auf dem Platz denn noch machen, damit die Zuschauer bis zur Ehrenrunde im Stadion bleiben?
Zugegeben, das Spiel hat einige Längen, aber das haben die ja selbst zu verantworten: College Football kommt im Fernsehen und da kommt dauernd Werbung.